Geschlechtersensible Anamnese: Der Schlüssel zu einer personalisierten Medizin

Die Anamnese, also die systematische Erhebung der Gesundheitsgeschichte einer Patientin/ eines Patienten, bildet das Fundament für jede medizinische Diagnose und Behandlung. Sie ermöglicht es, den individuellen Gesundheitszustand zu verstehen und eine passgenaue Therapie zu entwickeln. In der modernen Medizin wird zunehmend erkannt, dass geschlechtsspezifische Unterschiede, sowohl biologische als auch soziokulturelle, die Gesundheitsversorgung maßgeblich beeinflussen. Daher gewinnt die geschlechtersensible Anamnese immer mehr an Bedeutung. Sie berücksichtigt diese Unterschiede und trägt dazu bei, Diagnosen zu schärfen, Fehldiagnosen zu vermeiden und die Behandlung insgesamt zu verbessern. Indem geschlechtsspezifische Aspekte in den Erhebungsprozess einfließen, kann die medizinische Praxis individueller und präziser auf die Bedürfnisse der Patient:innen eingehen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Anamnese

Das Geschlecht spielt eine wesentliche Rolle nicht nur in der Art und Weise, wie die Anamnese erhoben wird, sondern auch in der Interaktion zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Es zeigt sich, dass insbesondere weibliche Ärztinnen häufig detailliertere Informationen zu psychosozialen Aspekten und Lebensstilfaktoren erheben, vor allem bei männlichen Patienten.

Ein Beispiel dafür ist die Behandlung von Herzinsuffizienz, bei der eine standardisierte Anamnese wichtig wäre, um alle relevanten Faktoren zu erfassen und keine geschlechtsspezifischen Verzerrungen zuzulassen. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, bei der Anamneseerhebung eine neutrale und umfassende Herangehensweise zu wahren, um eine gerechte und präzise Versorgung sicherzustellen.

Der Zusammenhang zwischen geschlechtersensibler Medizin und Anamnese

Die Anamnese ist mehr als eine bloße Erhebung von Symptomen, sie stellt eine Gelegenheit dar, geschlechtsspezifische Unterschiede frühzeitig zu erkennen und in die Diagnostik sowie die Therapieplanung einfließen zu lassen. Eine geschlechtersensible Anamnese geht weit über die einfache Abfrage von körperlichen Symptomen hinaus und umfasst auch psychosoziale Faktoren, Lebensstil, sowie geschlechtsspezifische Gesundheitsaspekte. Denn viele Krankheiten manifestieren sich bei unterschiedlichen Geschlechtern auf unterschiedliche Weise. Indem diese Unterschiede in der Anamnese frühzeitig erkannt werden, können Ärzt:innen präzisere Diagnosen stellen und die Behandlung besser an die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen anpassen.

Darüber hinaus stärkt eine geschlechtersensible Anamnese das Vertrauen zwischen Patient:innen und Ärzt:innen. Sie zeigt, dass die medizinische Fachkraft die individuellen Bedürfnisse und die geschlechtliche Identität ernst nimmt. Dies führt zu einer offeneren und kooperativeren Kommunikation, was sich positiv auf die gesamte Versorgung auswirkt.

Eine geschlechtersensible Anamnese als Schlüssel für bessere Gesundheitsversorgung

Die Berücksichtigung geschlechtersensibler Aspekte in der Anamnese ist ein entscheidender Bestandteil der personalisierten Medizin. Eine differenzierte Erhebung der Gesundheitsgeschichte, die sowohl geschlechtsspezifische Bedürfnisse als auch soziokulturelle Einflüsse berücksichtigt, verbessert nicht nur die Diagnosegenauigkeit, sondern optimiert auch die Qualität der Therapieentscheidungen. Langfristig führt eine solche Herangehensweise zu einer gerechteren und effektiveren Gesundheitsversorgung, da alle Patient:innen die bestmögliche Versorgung erhalten, unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Identität.

Die künftige Forschung sollte sich verstärkt darauf konzentrieren, praxisnahe Konzepte zu entwickeln, die eine geschlechtersensible Anamnese unterstützen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die medizinische Versorgung für alle Geschlechter qualitativ hochwertig und diskriminierungsfrei bleibt. Denn eine Medizin, die alle geschlechtsspezifischen Unterschiede berücksichtigt, ist nicht nur eine ethische Verantwortung, sondern auch ein wichtiger Schritt hin zu einer gerechteren Gesundheitsversorgung für alle.

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