Die Palliativmedizin hat das zentrale Ziel, die Lebensqualität von Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen zu verbessern. Dabei stehen die physischen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Patient:innen im Mittelpunkt. In den letzten Jahren gewinnt jedoch auch die geschlechtersensible Medizin zunehmend an Bedeutung. Sie untersucht, wie das Geschlecht das Gesundheitsverhalten, den Krankheitsverlauf und den Therapieerfolg beeinflusst. Der Zusammenschluss dieser beiden Disziplinen ist entscheidend, um eine gerechte und effektive Patientenversorgung zu gewährleisten. Doch welche geschlechtsspezifischen Herausforderungen gibt es in der Palliativmedizin und wie können diese überwunden werden?
Geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Palliativversorgung
Studien zeigen, dass das Geschlecht eine wichtige Rolle bei den Präferenzen und Erfahrungen von Patient:innen in der Palliativmedizin spielt. Frauen, Männer und nicht-binäre Personen haben unterschiedliche soziale, biologische und psychologische Voraussetzungen, die ihre Bedürfnisse und Wünsche in der Palliativversorgung beeinflussen. Beispielsweise neigen Frauen dazu, expressivere Bewältigungsstrategien zu verwenden und mehr Unterstützung bei der Kommunikation zu benötigen. Männer hingegen bevorzugen oft eine häusliche Pflege und legen Wert auf die Erhaltung ihrer Autonomie. Diese Unterschiede sollten in der medizinischen Praxis berücksichtigt werden, um eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.
Gleichzeitig gibt es geschlechtsspezifische Ungleichheiten beim Zugang zu Palliativdiensten. So erhalten Frauen häufiger eine palliative Betreuung, während Männer oft auf invasive medizinische Maßnahmen setzen, selbst im Endstadium einer Krankheit. Transgender- und nicht-binäre Patienten sind zusätzlich mit Herausforderungen konfrontiert, wie Diskriminierung oder unzureichendem Wissen des medizinischen Personals. Dies führt zu teils erheblichen Versorgungslücken.
Besondere Herausforderungen für LGBTQ+ und Transgender-Patient:innen
LGBTQ+-Personen, insbesondere Transgender-Personen, stellen eine besonders gefährdete Gruppe in der Palliativmedizin dar. Sie haben häufig mit struktureller Diskriminierung, mangelnder medizinischer Aufklärung und einem eingeschränkten Zugang zu passenden Palliativangeboten zu kämpfen. Transsexuelle Jugendliche und ältere LGBTQ+-Personen sind dabei besonders betroffen, da sie oft auf Barrieren stoßen, die ihre Versorgung erschweren. Hier ist eine gezielte Weiterbildung für das medizinische Personal sowie eine bewusste Sensibilisierung für die speziellen Bedürfnisse dieser Gruppen notwendig.
Die Rolle von Geschlechternormen im Belastungserleben von Palliativmediziner:innen
Nicht nur Patient:innen, sondern auch das medizinische Personal ist von geschlechtsspezifischen Normen betroffen. Wie Ärzt:innen und Pflegekräfte mit ihren eigenen Emotionen im Umgang mit schwerkranken Patient:innen umgehen, wird durch Geschlechternormen beeinflusst. Studien zeigen, dass weibliche Fachkräfte häufig eine höhere emotionale Belastung empfinden, während männliche Kollegen dazu tendieren, ihre Emotionen zu unterdrücken. Das Bewusstsein für diese Mechanismen ist wichtig, um das Palliativpersonal besser zu unterstützen und so die Versorgung auf hohem Niveau sicherzustellen.
Warum geschlechtersensible Ansätze in der Palliativmedizin wichtig sind
Die Einführung geschlechtersensibler Konzepte in die Palliativmedizin ist nicht nur eine ethische Verantwortung, sondern auch eine medizinische Notwendigkeit. Eine auf Geschlechterunterschiede abgestimmte Versorgung verbessert nicht nur die Lebensqualität der Patient:innen, sondern trägt auch zur Reduzierung von Ungleichheiten bei und steigert die Zufriedenheit des medizinischen Personals.
Zukünftige Forschung sollte sich verstärkt mit der Verbindung zwischen Geschlecht und Palliativversorgung beschäftigen, um evidenzbasierte Leitlinien und interdisziplinäre Konzepte zu entwickeln. Nur so kann eine gerechte, inklusive und effektive Palliativversorgung für alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechidentität – gewährleistet werden.
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